Kategorie: Lars Teichmann

Kunstgeschichte wird zitiert und Neuinterpretationen der großen klassischen Themen werden selbstbewusst in eine innovative Formensprache umgesetzt. Betritt man das Atelier von Lars Teichmann, an dessen Wänden großformatige Arbeiten aus der Classics-Serie hängen, fühlt man sich in einen Traum versetzt, der einem Bilder vor das geistige Auge führt, die aus einer längst vergangenen Zeit sind. Gehen wir gedanklich zurück in das 17. Jahrhundert, zu einem spanischen Maler des Barock, zu Diego Rodríguez de Silva y Velázquez, der als Porträtmaler am Hofe des spanischen Königs Philipp IV tätig war. Als einer der Wichtigsten seiner Zeit war er mit der Anfertigung von Portraits Angehöriger des spanischen Hofes betraut, entsprechend ihres Ranges, ihres Dienstgrades und ihrer Stellung wurden der König, die königliche Familie und Minister ins Bild gesetzt. Unzählige Betrachter kennen die herrschaftlichen Portraits, die artifiziellen Zeugnisse von Macht, Amt und Würde, die “Klassiker”.

Mit “Classics” unternimmt Lars Teichmann den erfolgreichen Versuch, die figurative Malerei und die gegenwärtigen Rezeptionsgewohnheiten zu hinterfragen. Mit respektvoller Geste löst er die Formen auf, die Repräsentanten des Hofstaates werden der Last ihrer Herrschaftssymbole entledigt und befreit.  Bildkonstruktion und entfesselte Expressivität ergeben ein spannungsreiches Gleichgewicht, innerhalb dessen der Künstler mit explosiver Dramatik Physiognomien eliminiert, wertvolle Brokatstoffe mit der Farbe förmlich zerreißt und die Gestalten aufbricht, die Protagonisten entblößt. Die hochgestellten Persönlichkeiten von damals werden durch Lars Teichmanns Transformation ihrer Bildnisse als kollektives Erinnerungsbild dargestellt: seine “Classics”-Serie ist eine Neuinterpretation der großen klassischen Themen der Portraitmalerei und verleiht ihr eine neue, Jahrhunderte übergreifende Sichtweise von Ästhetik und Schönheit.

Dieser Neuausrichtung hat sich Lars Teichmann verschrieben. Er verzichtet auf alles Überflüssige und Anektdotische, lässt es hinter dem dunklen Schleier der Jahrhunderte zurück und hebt durch diesen Kunstgriff die Figur in ihrer tiefen Ausdruckskraft in neue Höhen. Zugleich lässt er dem Rezipienten Raum für geistige sowie gedankliche Freiheit und eigene Interpretation und lässt sich ihn omnipräsent in seinen Werken wiederfinden.

Nicht zuletzt erzeugt der Künstler diesen Effekt durch die Ent-Individualisierung der Figuren, anstelle von geschönten Häuptern und klaren Gesichtszügen blickt der Betrachter in die hell-gleißende Unendlichkeit der immer fortwährenden, allgemein gültigen menschlichen Themen. Hochmut, Hass, Stand, Stolz und Macht verbünden sich mit Liebe, Ehre, Demut und Glaube; Zeit und Vergänglichkeit werden eins.

Helle Farbnebel, wie Blitze der Vergangenheit wirkend, welche uns ein Goldenes Zeitalter der Malerei ins Gedächtnis rufen, lassen die Figuren in all ihrer Schönheit und Präsenz geläutert erscheinen, und wir erahnen, dass sie auf ihrer Reise durch Zeit und Raum allen überflüssigen Tand hinter sich lassen konnten. Die Konturen leuchten, das dem Betrachter entgegen scheinende Hintergrundlicht umgibt die Figuren mit einem Nimbus, der sich neben den perlenden Lichtblitzen vornehm zurückhält.

Der Betrachter sieht sich einer klaren, reinen Figur gegenüber, die alles beinhaltet, was er selber in sich trägt. Lars Teichmanns Werke führen uns wieder einmal vor Augen, wie die menschliche Vergänglichkeit ihre Wahrheiten unabänderlich zum Ausdruck bringt.

Lars Teichmann studierte von 2002 bis 2008 Bildende Kunst bei Prof. Daniel Richter an der Universität der Künste Berlin und war 2006 Meisterschüler bei Prof. Valérie Favre. Er war 2006 für den Vattenfall Kunstpreis nominiert, 2009 erhielt er den Under 30 Euromobil Award bei der Artefiera in Bologna/Italien, und ein Jahr später das Arbeitsstipendium für Bildende Kunst der Stadt Berlin. 2011 wurden seine Arbeiten auf der 54. Biennale di Venezia gezeigt.

 

Vita

 

Künstlerportrait: Credits Annette Apel

Lars Teichmann

Verfügbare Arbeiten

Lars Teichmann

Das Sujet der Werke von Lars Teichmann ist aufgeladen mit Zitaten der kunsthistorischen Vergangenheit. Er kreiert monumentale Leinwandarbeiten, die vertraute Bildmotive nach einer kontinuierlichen Systematik verfremden und aktualisieren: so stammen seine Motive aus der französischen Salonmalerei des 19. Jahrhunderts oder erinnern an klassizistische und barocke Portraits. Lars Teichmann übersetzt sie mit Hilfe seiner eigenen Bildsprache in die Gegenwart. Die wirkungsstarken Kompositionen sind so reduziert, dass ihre Lesbarkeit gerade noch gegeben ist. Die erkennbaren Figuren appellieren an das eigene Bildgedächtnis und wecken zunächst bewusst Erinnerungen und Assoziationen. Die hierdurch entstandene, anfängliche Vertrautheit muss jedoch einem irritierenden Moment weichen: der Blick des Rezipienten wird von den dargestellten Figuren nicht erwidert. Eine weiße Fläche wirft den Blick zurück und lässt die Figur anonym bleiben. Dies ist ein unverkennbares Merkmal, welches sich durch Teichmanns Werk zieht. Die Mittel der Verfremdung sind stets identisch; bewusst malt er weder konkrete Hände, noch Füße oder Gesichter, er vernachlässigt das Detail zu Gunsten der Komposition. So bleiben seine Figuren offen und geheimnisvoll zugleich: wie die Schatten einer blassen Erinnerung scheinen die gespenstisch anmutenden Figuren im Bildzentrum zu schweben. Seine demonstrativ platzierten Leerstellen offerieren ein Identifikationsangebot an den Betrachter und fordern ihn dadurch zu einem Dialog heraus. Teichmanns Werke bewegen sich auf der Grenze zwischen Figürlichkeit und Abstraktion; ein ständiges Spiel zwischen Hervorbringung von Figuren und deren Auflösung im Farbnebel. Kontrolle und Zufall scheinen dabei gleichsam von Bedeutung zu sein. Eine weitere Besonderheit sind die Drippingspuren, welche den Betrachter an Techniken des abstrakten Expressionismus erinnern könnten. Die Malerei stellt sich dadurch permanent selbst aus, der Malprozess ist deutlich zu erkennen. Teichmanns energiegeladene und rasante Pinselführung wohnt dem Gemälde bei der Betrachtung noch inne. Der Duktus ist nachvollziehbar; dicke Farbspuren treffen auf Spritzer und verwischte Schlieren, die von Laufspuren gekreuzt werden. In der Detailbetrachtung löst sich die von weitem noch so eindeutige Figürlichkeit auf. Lars Teichmanns Werke fungieren demnach nicht nur als ein Fenster in einen Bildraum, sondern machen auch die ästhetische Grenze sichtbar und thematisieren damit die Malerei selbst. — Christina Wigger

Impressionen

Lars Teichmann Galerie Lachenmann Art
Lars Teichmann Galerie Lachenmann Art
Lars Teichmann Galerie Lachenmann Art
Lars Teichmann Galerie Lachenmann Art
Lars Teichmann Galerie Lachenmann Art
Lars Teichmann Galerie Lachenmann Art
Lars Teichmann Galerie Lachenmann Art
Lars Teichmann Galerie Lachenmann Art
Lars Teichmann Galerie Lachenmann Art