Der Begriff ›Vanitas‹ kommt aus dem Lateinischen, bedeutet übersetzt ›leerer Schein‹ oder ›Vergeblichkeit‹ und steht in der jüdisch-christlichen Vorstellung für das Transitorische und die Vergänglichkeit alles Irdischen. Kunsthistorisch betrachtet erlebten Vanitas-Stillleben als Stilform der Stillleben-Malerei im Barock eine große Blüte. Die Vanitas-Symbole wie beispielsweise die Darstellung eines Totenschädels, einer Sanduhr, verwelkender Blumen oder einer erlöschenden Kerze sind häufig und beliebt gewesen und führten, in der Regel mit einer moralisierenden Intention, dem Betrachter die Vergänglichkeit des Lebens vor Augen; sie zeigten auf, dass der Mensch keine (Entscheidungs-)Gewalt über das Leben hatte. Der Versuch, alles Irdische festzuhalten, ist nicht und war nie von Erfolg gekrönt, weshalb die Abbildung von etwas Irdischem, zum Beispiel der Schönheit der Jugend, Geld, Kostbarkeiten oder dem Bildnis des prallen Lebens, in Kombination mit der Darstellung eines Vanitas-Symbols durch die Gegenüberstellung eine Aufwertung erfuhr.
Weitere Symbole eines Vanitas-Stilllebens konnten, insbesondere in der niederländischen Malerei des ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts, eine Taschenuhr sein, die das unaufhaltsame Verrinnen der Zeit verkörpern sollte. Des Weiteren Musikinstrumente, häufig eine Violine, deren hervorgebrachte Musik von einem Moment zum nächsten verklingt und somit vergänglich ist, eine Schreibfeder mit Tintenfass, welche gemeinsam dargestellt auf die Vergänglichkeit von literarischem Ruhm hinweisen konnten. Gerne trugen auch Tische oder Tischplatten, auf denen die Gegenstände sorgfältig arrangiert dargestellt wurden, Inschriften wie zum Beispiel ›nil omne‹ (alles ist nichtig). Allen Symbolen gemeinsam war der Fingerzeig auf die Nichtigkeit der weltlichen Werte wie Ruhm, Macht, Schönheit und Zeit, da sie allesamt Zeichen für die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens waren und die Relevanz einer Hinwendung zu Gott proklamierten.
Der Ursprung des Wortes ›Vanitas‹ lässt sich in einer Schrift des Alten Testaments (Buch Kohelet, Koh. 1,2) in einer Zusammenstellung von Lebensratschlägen und der Ermahnung zur richtigen Lebensweise finden. In der Antike wurde bereits die Vergänglichkeit und die Unaufhaltsamkeit des Lebens thematisiert (z.B. bei Heraklit: ›Panta rhei ‹= alles fließt), allerdings wurden in der Antike der menschliche Stolz und der damit häufig verbundenen Begierde nach irdischen Gütern noch nicht so scharf kritisiert und verfemt, wie es im Christentum üblich wurde. Während im Mittelalter die Narren häufig für Vanitas standen, weil sie das Lächerliche und Ungehörige darstellen durften, da sie selbst lächerlich und ungehörig waren, war grundsätzlich die Unwichtigkeit und Bedeutungslosigkeit jeder menschlichen Illustrierung ein Grundgedanke der christlichen Weltanschauung. Durch das Bekenntnis der eigenen Bedeutungslosigkeit als reuige Botschaft setzten sich mittelalterliche Darstellungen aller Art gegen diesen Gedanken durch. In der Renaissance wurde die Spannung zwischen Mittelalter und Moderne immer größer: die Zerrissenheit zwischen der Demut der Bevölkerung und ihrem aufkeimenden Selbstbewusstsein erreichte im Barock ihren Zenit. Im ausgehenden 18. Jahrhundert verlor die Demut im Zuge der Aufklärung ihre Vormachtstellung. Stolz und Eitelkeit mussten sich in der künstlerischen Darstellung nicht mehr rechtfertigen bzw. erniedrigen. In der heutigen Zeit ist die Einarbeitung von Vanitas-Symbolen in Kunst, Film, Musik und Literatur wieder en vogue.
Der englische Begriff ›fair‹ (Kirmes, Jahrmarkt, Kirchweih) bildet hier einen Ausgelassenheit und Freude verkörpernden Kontrapunkt. Beides ist in den Arbeiten von Zohar Fraiman und Nika Fontaine in großem Maße erlebbar. Wir freuen uns über die Realisierung dieser Doppelausstellung mit zwei international so erfolgreichen und herausragenden Künstlerinnen.
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