Farbwahl, Dynamik, Emotionen und Überlegungen. Diese vier Begriffe miteinander vereint geben einen ersten Einblick in die neuen Arbeiten von Minyoung Park. Sie wählt für diese als Hintergrund den (Berliner) Stadtwald; ein Setting, welches von früheren Werken bereits bekannt ist: die von Menschenhand erschaffene und kultivierte grüne Oase, welche wie eine Bühne für Tiere, Menschen, Fabeln und kleine Geschichten fungiert. Die Arbeiten von Minyoung Park erzählen ebensolche kleinen und großen Geschichten, decken Emotionen der Künstlerin selber und die der Betrachter auf, geben Einblick in ein grünes Paradies unmittelbar vor unserer Tür.
Die Farbwahl jedes einzelnen Werkes ist stark, mitunter mutig, und stets mit Bedacht gewählt. Zielsicher und gekonnt setzt Minyoung Park Farben neben- und aufeinander, platziert Vorder- und Hintergründe und lässt den Betrachter eintauchen in ein Gedankenuniversum, welches aufregend und friedlich zugleich ist.
Erzählungen und Romane finden Eintritt in die Welt der Künstlerin, wie zum Beispiel der Roman "Hundert Jahre Einsamkeit" ("Cien años de soledad") vom kolumbianischen Literaturnobelpreisträger Gabriel Garcia Marquez, in welchem ein Schiffsgrippe in einem tropischen Wald entdeckt wird und Zeitzeuge dafür wird, dass zu früherer Zeit an dieser Stelle ein Zugang zum Meer existiert haben muss. Inmitten eines tropischen Waldes zuerst unerklärlich, dann erstaunlich und für die Künstlerin Inspiration zu ihrer Arbeit "Trojanisches Pferd", in welchem das trojanische Pferd als historisches Objekt und der tropische Wald für den Wandel der Zeit stehen soll.
Die Gegenüberstellung von auf den ersten Blick nicht unmittelbar aus derselben Wurzel entsprossenen Faktoren ist in den Werken der Künstlerin häufig anzutreffen. Und sei es der Wald als -sich zwar im Durchlaufen der Jahreszeiten ein stetig veränderndes, in seiner Charakterlichkeit ein jedoch- beständiger, stehender Ort in Konfrontation mit eilenden, schnellen, hastenden, transpirierenden Menschen, die die Ruhe des Waldes suchen, um die eigene Körperlichkeit zu erfahren.
Das Gemälde "Insel" ist während eines mehrmonatigen Paris-Aufenthaltes entstanden und bietet dem Betrachter keine absolute Deutung, sondern verschiedene Ideen und gedankliche Konstrukte an, um den eigenen persönlichen Zugang zum Werk zu finden. Folgende Gedanken seien hier genannt: der große Baum im Hintergrund, dessen blutrote Astspitzen an einen dramatischen Sonnenuntergang oder ein loderndes Feuer denken lassen könnten, versinnbildlicht die gesamte Menschheit in ihren vielfältigen und mannigfaltigen Facetten. Zugleich bietet das Gemälde ferner die Fiktion einer Insel, welche im Bildmittelpunkt zu sehen ist, als Mikrokosmos unserer Gesellschaft an, in welchem der einzelne Inselstaat das Individuum darstellt.
Die Idee des Individuums, des Individualisten, des Weg-Suchenden findet sich nicht nur in den Arbeiten wieder, auf den Menschen in dynamischer Bewegung zu sehen sind. Das Gemälde "Man with a suitcase" zeigt einen in der Bewegung verharrenden Mann in legerer Kleidung und hängenden Armen, der der Typ von nebenan sein könnte. Sein Kopf ist zur Seite gewandt, der Blick in die Bäume gerichtet. Der Hintergrund erstrahlt in leuchtendem Blau, welches sich auf dem Waldboden vor ihm wiederfindet und spontan einen See assoziieren lässt. Vor ihm steht ein brauner Lederkoffer. An dieser Stelle im Wald, die hohe Stämme, wildes Gebüsch und lange Farnzweige hervorgebracht hat, ein irritierendes Bild. Und doch bei näherer Betrachtung ein nicht Ungewöhnliches: das Gemälde ist mit der Idee entstanden, dass jeder lebenslang seinen eigenen unsichtbaren Koffer mit sich trägt. Die Metapher des (un-)sichtbaren Koffers ist möglicherweise eine nicht geklärte Lebenssituation, eine familiäre Hypothek, ein Komplex, ein ungelöstes Problem, kann jedoch auch eine positive Lebenserfahrung darstellen.
Die Sehnsucht nach Freiheit, nach Luft zum Atmen, nach genügend Raum für das eigene Selbst fernab der Urbanität macht den Wald schon immer zu einem Ort der Zuflucht. Motivation hierfür können ebenso Kindheitserinnerungen an die Natur sein, die Verbundenheit zu Bäumen, Moos und Sträuchern, je nach Jahreszeit auch Laub oder Knospen. Der Wald bietet Schutz, zeigt hunderte von Grün-, Rot- und Brauntönen der Natur, lässt aufatmen und nimmt seinen Besucher ohne zu fragen an und auf. Es offenbart sich jedem Betrachter der Arbeiten von Minyoung Park die Breite des Spektrums dessen, was der Wald beinhalten kann und wofür er hier Bühne sein darf.