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›Intimate 2‹ 24/05/2022—13/07/2022

›Intimate 2‹ 24/05/2022—13/07/2022

 

Konstanz 24/05/2022—13/07/2022

Der aus Finnland stammende Künstler Jukka Rusanen (*1980) begeistert mit seinem erfrischenden Blick auf die Welt. Jukka Rusanen ist ein Künstler, in dessen Bilderkosmos zwei Sphären raffiniert verschmelzen: Die der subtilen Farbigkeit und die der souveränen Linie. Die Zeichnung und die Malerei. Beide stehen hier nicht wie bei anderen Künstlern nebeneinander oder gar in Konkurrenz, sondern das Kolorit und der Gestus agieren miteinander, werden eins. Die Spur artikuliert sich in der Farbe, verschmilzt und bleibt doch jeweils klar für sich erkennbar. Ähnlich der Instrumentierung eines Orchesterstücks hat diese Malerei etwas grandios Symphonisches. Dabei kommt sie voller Leichtigkeit daher, ganz unpathetisch, und genau das macht Jukka Rusanens Kunst so anziehend sympathisch. Smetana-Improvisationen, auf dem Rokoko-Spinett gespielt. Es ist ein Vergleich nicht ohne Grund, doch dazu später.

Eine der jüngsten Ausstellungen des Künstlers trug den Titel ›Sketch‹ und es trifft die skizzenartige Luftigkeit, das so souverän Hingeworfene dieser Kunst sehr gut. Skizzen sind etwas sehr spontan Gesetztes, das aufgrund seiner Unmittelbarkeit stets auch etwas uns sehr Nahes, Persönliches vermittelt, lässt doch die Linie geradezu seismografisch die innere Bewegtheit des Künstlers sichtbar werden. Und ein solcher Wurf gelingt nur großen Künstlern, denn gerade hinter dem Reduzierten, hinter dem auf den Punkt Gebrachten steckt die gesammelte Erfahrung eines Lebens, das sich im Moment des künstlerischen Prozesses komprimiert. Wer seinem Publikum solche Einblicke ermöglicht, wer sich als Künstler derart öffnet, gibt letztlich Intimes Preis: ›intimate‹, wie es der Titel dieser Ausstellung nahelegt.


Eine solche Malerei bedarf keiner weiteren Inszenierung, sie kommt ganz ohne die Pose des Malerfürsten aus. Denn diesem Maler liegt an der Malerei, nicht am Personenkult. Die große Bühne gehört den Bildern, die sich als Teil eines Prozesses verstehen, hinter dem sich Biografisches verbirgt, das aber nicht nach vorne drängt. Immer geht es um die künstlerischen Mittel selbst, um die Symbiose aus gestischer Notation und koloristischer Tongebung. Was so flink und wie zufällig aussieht, ist einer jahrelangen künstlerischen Übung entsprungen, die sich auf das Setzen von Farbakkord und Linienwurf fast wie in Trance versteht. Dabei entstehen figurative Bilder, die genauso gut ungegenständlich gelesen werden können, weil sie ganz unabhängig vom Motiv sich selbst mittels der künstlerischen Elemente tragen, als Komposition für sich schon wirken, funktionieren. Es sind Bilder, die sich gerade wegen dieser fluiden Offenheit als Projektionsfläche für unsere eigene seelische Befindlichkeit eignen.

Wer diese Bilder betrachtet, ist sich selbst nah, ist ganz bei sich. Und dennoch genießen wir es als Betrachter, wenn wir hinter dem Flirren der Farbspuren etwas entschlüsseln dürfen, was uns zurückführt in die Welt und doch sogleich wieder entführt, wissend: Dies ist reine Malerei, die vor allem auf eines verweist, nämlich auf ihre eigenen Mittel, auf sich selbst. Kunst wie von der Natur gemacht, und doch: Kunst.

Florale Motive und Arabesken, schwebend auf einem hellen, oft weißen Grund, waren auch ein Merkmal des Rokoko. Und es ist vielleicht kein Zufall, wenn der Künstler darauf angesprochen, gerade diese Zeit des Übergangs am Ende des 18. Jahrhunderts als seine Lieblingsepoche nennt.

Übrigens hilft auch ein Besuch Venedigs die Kunst des Jukka Rusanen zu verstehen. Wer jemals im Pavillon der Nordischen Länder auf der Biennale in Venedig war, wird in diesem grandiosen, hellen Bauwerk, in dessen Mitte sich ein Baum erhebt, erkennen, dass diese Symbiose aus Linie, Farbe und Form, aus Kunst und Natur ein Merkmal einer künstlerischen Haltung ist, die ihre Entsprechung im klaren Licht des weiten Himmels über der Welt der Tausend Seen findet und in der Bildwelt des Jukka Rusanen ihren ganz eigenen Duktus feiert. Den Duktus der Farbe, des Lichts und der Bewegung. —  Prof. Dr. Martin Oswald, 2022

In der Ausstellung ›INTIMATE‹ erzählt der finnische Künstler Jukka Rusanen von den Beziehungen zwischen den Dingen. Ausgangspunkte sind dabei Rhythmus, Themen und Materialität der klassischen Malerei, welche er sich mittels traditioneller Maltechniken, Collagen und Stoffweberei nähert. Auf diese Weise versucht Rusanen, die Erfahrung zu vermitteln, die sich aus dem Zusammenspiel verschiedener Materialien und Bräuche ergibt. Bezogen auf ein französisches Rokoko-Gemälde kommen schließlich dessen Eigenschaften der Fleischlichkeit, Sinnlichkeit, Materialität, Eitelkeit, Schönheit und Grausamkeit zutage.

Jukka Rusanens Werke bestechen durch eine fast unerklärliche Dissonanz zwischen ruhiger, monotoner Fläche und wild-expressiven Farbspuren. Der finnische Künstler präsentiert uns in der Ausstellung INTIMATE, ganz im Sinne des Wortes, einen intimen Einblick in seine Schaffensweise, die zwischen filigraner Leichtigkeit und tosender Brutalität changiert. Als charakteristisch in seinem Oeuvre erweisen sich pastellfarbene Hintergründe, die in ihren Un-Farben die zweidimensionale Fläche der Leinwand zitieren. Während sich die Farbspur des Pinsels in dynamischer Weise auf diesen ruhigen, zurückhaltenden Untergrund einschreibt beginnt in unserer visuellen Wahrnehmung der ganze Zauber der Kunsterfahrung. Wilde Pinselhiebe, leicht durchscheinende Kreidespuren, pastose, fast schon haptische Farbhöfe manifestieren sich zu etwas Körperhaftem, das dennoch undefinierbar, nicht ganz greifbar bleibt. Die detaillierte Betrachtung offenbart uns eine Tiefe, welche im flüchtigen Vorbeigehen versteckt und geheim bleibt. Ungeahnte körperliche Präsenz wird unleugbar in der skizzenhaft anmutenden Leinwandarbeit >Academic<, in der der indexikalische Verweis auf den Körper des Künstlers eine figurale Wirklichkeit erfährt. Die Harmonie und pudrige Unschuld der Farben bedingt die Assoziation von Fleischlichkeit, Sinnlichkeit und Materialität. Bewegung als Potenz des Malprozesses beweist sich als Maxime der Arbeiten und findet über mehrere Ebenen Einzug ins Bild. Zum einen beweist sich die figurative Assoziation als in der Bewegung befindlich und nimmt den Bildraum, ohne Rückbezug auf eine physikalische Verortung, für sich in Anspruch. Darüber hinaus schreibt sich ebenso die tatsächliche körperliche Bewegtheit des Künstlers im Moment des Schaffens ein. Jeder Strich, jede Farbspur ist als Beweis für die Bewegung des Armes und des ganzen Körpers zu verstehen. Die dritte Ebene, welche sich in der Rezeption der Arbeiten manifestiert, ist jene der Betrachtenden. Im Galerieraum gehen wir vor und zurück, begeben uns von der Nah- in die Fernsicht und erfahren somit die ganze Wirkkraft der künstlerischen Handschrift.

Die facettenreiche Arbeitsweise des Künstlers, der oftmals mehrere Leinwände zur gleichen Zeit bearbeitet, schlägt sich auch in den verwendeten Materialien nieder. Nicht nur die klassische Leinwandmalerei lässt sich in den Ausstellungsräumen erfahren, sondern auch die von Hand gewebten Teppiche und Stoffobjekte, die in direktem Dialog mit Farbe und zweidimensionaler Fläche treten. Die Hinwendung zum Handwerk trägt für Jukka Rusanen eine besondere Bedeutung. Der in Finnland geborene Künstler lernt die Technik der Handweberei im Webereizentrum in Ilo in Lahti und verknüpft diese Tätigkeit in einer spirituellen Form mit Lokalem, Altem und Traditionellem. Auch an dieser Stelle lassen sich direkte Verbindungen zur malerischen Ausdrucksform Jukka Rusanens beobachten. Seinen Bildideen und Leinwandarbeiten liegen meist klassische Gemälde zugrunde, deren genaue Betrachtung der Künstler als notwendig für den Findungsprozess beschreibt. Bis zurück ins 17. Jahrhundert lassen sich versteckte Zitate und Bezüge zu bedeutenden Werken der Kunstgeschichte beobachten, während in der hier präsentierten Werkauswahl das 18. Jahrhundert und repräsentative Werke des Rococo als Inspirationsquelle dienen. Der Rückbezug auf Tradition und generationenüberschreitende Überlieferungen wird übersetzt und dekonstruiert. Neuartige und aktualisierte Kontexte, sowie Differenzen entstehen. Das dreiteilige Werk >Narrativii< referiert in diesem Sinne eindeutig auf die mittelalterlichen Triptychen, welche meist in einem religiösen, christlich-biblischen und kontemplativen Hintergrund entstanden. Diese traditionelle Bildform übersetzt Jukka Rusanen im Sinne einer zeitgenössischen Herangehens- und Darstellungsweise, während der kontemplative, versunkene Moment der Werkbetrachtung erhalten bleibt. Das Auge wandert über die verschiedenen Materialien der drei gleichgroßen Leinwände, die in ihrer Ähnlichkeit doch vollkommen verschieden sind. Leinen als die Grundlage einer jeden Leinwand und somit des zweidimensionalen Bildes emanzipiert sich als eigenständiges Element aus dem Rahmen heraus und wird vom Künstler in flechtartigen Momenten fast grob über den Keilrahmen gelegt. Die Materialität des Fadens oder Stoffes ist auch im mittleren Bild noch vorherrschend, selbst wenn es im ersten Moment den Anschein erweckt, lediglich plane, unbearbeitete Leinwand zu sein. Die Realisation der groben Naht, die die zweigeteilte Bildfläche wieder zusammenbringt, wirkt fast archaisch und vermittelt eine stille Brutalität. Die dritte Leinwand gewährt dem Betrachtenden dann die ersehnte Ruhe und Rückkehr zur unversehrten, wohlbekannten flachen Leinwand. Die Farbe erhält wieder Einzug, Pinselhübe lassen uns den Künstler wahrnehmen und dennoch bleibt der Grund des Bildes sichtbar als das was er ist: gewebte Fläche, nur marginal mit Farbe bedeckt, als direkter Verweis auf seine tatsächliche Beschaffenheit. 

Eine gewisse Naturverbundenheit des Künstlers können wir in der Darstellung einer dunkelgründigenen Leinwand nachvollziehen, bei deren Betrachtung wir uns an niederländische Blumenstillleben des 17. und 18. Jahrhunderts erinnert fühlen.  In den expressiven Farbspuren des Künstlers stellt sich immer wieder die Assoziation von etwas Wachsendem, sich auf der Leinwand Materialisierendes, vergleichbar mit Bäumen, Ästen und Blütenblättern, ein. Ähnliche Bedeutung, wie jener der Stillleben, kommt im historischen Rückblick auf die Kunstgeschichte der Porträtmalerei zu. Jukka Rusanens schemen- und geisterhaften Frauengesichter tragen den Titel >Kultakausi<, was in der Übersetzung so viel bedeutet wie „Das goldene Zeitalter der finnischen Kunst“. Diese Porträts von unkenntlich gewordenen Frauen widersetzen sich der grundlegenden Direktive der Porträtmalerei, charakteristische Gesichtszüge als Wiedererkennungsmerkmale darzustellen, und fungieren nur noch über Leerstellen. Lediglich dezent angedeutet werden die Gesichter hier gezeigt, scheinen nur hingehaucht, um sich auch im nächsten Moment wieder aufzulösen. 

Das monumentale Werk >Alku<, ein meterhoher handgewebter Teppich des Künstlers, der im Ausstellungsraum seiner Funktionalität vollkommen enthoben und in installativ-objekthafter Weise gezeigt wird, unterstreicht Jukka Rusanens künstlerische Intentionen weiter. Seine Orientierung an Tradition und Geschichte, auch in Rückbezug auf seine Heimat Finnland, spiegeln sich in dieser Ausstellung wider und gewähren uns einen ungewöhnlich intimen Einblick in die Gedankenwelt dieses zeitgenössischen Künstlers durch subtile Rückbezüge auf eine längst vergangene Zeit. 

Der 1980 in Jyväskylä geborene Jukka Rusanen hat das Studium der bildenden Künste an der Turku School of Fine Arts und an der Finnish Academy of Fine Arts in Helsinki absolviert. Heute lebt und arbeitet er in Lahti. Die Arbeiten des Künstlers sind Teil aller erstrangigen Sammlungen Finnlands. 

Installation views: Credits Eric Tschernow

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