Vom Mäzenatentum zur Selbstvermarktung – wie sich der Kunstmarkt verändert hat.

Vom Mäzenatentum zur Selbstvermarktung – wie sich der Kunstmarkt verändert hat.

Oder: Wie die digitale Selbstvermarktung den traditionellen Kunstmarkt herausfordert. Kunst zwischen Likes und Leinwand.

Die bildende Kunst war schon immer ein Spiegel ihrer Zeit. Doch nie zuvor war der Zugang sowohl zur Kunstproduktion als auch zur Kunstvermarktung so offen und leicht wie heute. Während Künstler früher auf die Gunst von Kirche, Adel und wohlhabenden Mäzenen angewiesen waren, kann heute nahezu jeder mit wenigen Klicks die eigenen Werke der Öffentlichkeit präsentieren – natürlich nicht ohne weitreichende Folgen für den traditionellen Kunstmarkt.

Im Mittelalter und in der Renaissance war Kunst in erster Linie Auftragsarbeit: Maler, Bildhauer und Kunsthandwerker arbeiteten im Dienst der Kirche oder des Adels. Ihre Aufgabe bestand darin, religiöse Motive, Portraits oder Szenen aus dem Leben der Auftraggeber oder anderer Mächtiger zu gestalten. Die Künstler verstanden sich damals nicht als autonome Schöpfer, sondern als -teilweise herausragende- Handwerker, deren Arbeit immer einem höheren Zweck diente: die Vermittlung des Glaubens oder die Repräsentation von Macht.

Mit der Aufklärung und später in der Romantik wandelte sich dieses Bild. Künstler begannen, die eigene Sicht der Welt zu zeigen. Der Begriff des ›Genies‹ entstand und die Kunst wurde zunehmend zum Ausdruck individueller Freiheit. Doch auch jetzt noch blieben die meisten Künstler finanziell abhängig; nun allerdings von Galerien, Sammlern und öffentlichen Institutionen.

Das 21. Jahrhundert hat den Kunstmarkt grundlegend verändert. Materialien und Werkzeuge sind erschwinglicher und leichter verfügbar denn je. Eine fertig aufgezogene und grundierte Leinwand, eine Handvoll Farben und etwa Mut, Lust und Laune oder ein Aquarellkurs nach der Pensionierung – und schon kann sich jeder als Künstler verstehen. Dieser niederschwellige Zugang zur Kunstproduktion hat zwar die Kreativität gefördert, andererseits aber auch zu einer gewissen Inflation des Kunstbegriffs geführt. Die Berufsbezeichnungen ›Künstler‹ und ›Galerist‹ sind nach wie vor keine geschützten Berufsbezeichnungen und können nach Belieben verwendet werden.

Mit Social Media Plattformen wie Facebook, Instagram, TikTok oder Pinterest ist die Kunstvermarktung in eine neue Ära eingetreten. Alle können ihre Werke direkt und unmittelbar einem weltweiten Publikum präsentieren, ohne auf Galerien angewiesen zu sein. Das schafft Chancen: gerade für junge Talente, die früher kaum Sichtbarkeit erlangt hätten. Gleichzeitig verändert diese Entwicklung das Verhältnis zwischen Kunst und Markt. Die neuen Währungen heißen Reichweite, Likes und Follower. Die Aufmerksamkeit auf Social Media ersetzt zunehmend die traditionelle kuratorische Auswahl, die Galerien einst leisteten.

Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung natürlich befeuert. Während Galerien und Ausstellungen schließen mussten, verlagerte sich das Kunstinteresse ins Digitale. Viele Käufer gewöhnten sich daran, nicht nur Kunst online zu entdecken und zu erwerben; oft direkt bei den Künstlern. Das fühlte sich für Viele wahrscheinlich großartig an und stärkte das Unabhängigkeitsgefühl, schwächte jedoch die Rolle der klassischen Vermittlungsinstanzen wie Galerien, die nicht nur verkaufen, sondern auch kuratieren, beraten und Qualität sichern.

Für professionelle Galerien und Kunsthändler ergeben sich daraus tiefgreifende strukturelle Veränderungen. Zum einen bricht ihnen der direkte Zugang zu Käufern und Sammlern weg. Viele Kunstinteressierte orientieren sich lieber an den sozialen Medien als an kuratierten Ausstellungen, was die Funktion der Galerie als Entdeckerin und Vermittlerin von Qualität untergräbt. Zum anderen wird hier die wirtschaftliche Basis geschwächt. Online- und/ oder Direktverkäufe durch Künstler führen dazu, dass Galerien immer seltener an Erstverkäufen beteiligt sind: jener Bereich, der bisher einen großen Teil der Einnahmen ausmachten. Einnahmen, durch die Ausstellungsräume, Löhne, Kataloge und Vernissagen oder Messen bezahlt wurden. Hinzu kommt en steigender Kosten- und auch Konkurrenzdruck: professionelle Kommunikation, Messeauftritte und (digitale) Sichtbarkeit erfordern Investitionen, die für viele Galerien oft kaum noch tragbar sind.

Auch das Kaufverhalten des Publikums hat sich verändert. Zum einen sind einige Generationen durch Slogans wie ›Geiz ist geil‹ geprägt, zum anderen wollen viele schnell und sofort einkaufen, ohne Beratung. Dabei fällt auf, dass viele Käufer Kunst anders behandeln als andere Anschaffungen des täglichen Lebens. Wenn eine neue Waschmaschine benötigt wird, verbringen Konsumenten oft Stunden damit, Modelle zu vergleichen, Erfahrungsberichte zu lesen und Effizienzwerte zu prüfen. Beim Kunstkauf hingegen verlässt man sich häufig auf den ersten Eindruck oder den ›Bauch‹. Nur selten wird hinterfragt, wer der Künstler eigentlich ist, ob er oder sie eine fundierte Ausbildung hat, reflektiert arbeitet oder ob die Werke langfristig wertstabil bleiben können. Diese emotionale, spontane Herangehensweise kann zwar ihren Reiz haben, führt jedoch dazu, dass Qualität, Kontext und Nachhaltigkeit im Kunstkauf oft zu kurz kommen. Gerade hier können Kunsthistoriker und Kunstwissenschaftler in professionellen Galerien durch ihre Expertise Orientierung bieten – wenn man sie lässt. Nur so lässt sich kulturelles Kapital bewahren: mit der Fähigkeit, Kunst einzuordnen, zu bewerten und über Trends hinaus den Bestand zu sichern. Jeder Verkauf aus dem Atelier heraus, sei es online oder persönlich, schwächt ganz direkt eine Galerie.

Die Selbstvermarktung ermöglicht Künstlern größere Freiheiten, birgt aber auch Risiken: ohne kritische Instanzen kann Kunst schnell beliebig werden und der Markt verliert an Orientierung. Zwischen Likes und Leinwänden, zwischen Algorithmen und Ausstellungen wird sich die Kunstwelt in Zukunft neu auspendeln müssen. Die Herausforderung besteht darin, Freiheit und Qualität miteinander zu verbinden.

 

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